Die älteste Schweizer Yachtklasse – 15m²-SNS-4mR
Hüllskizze einer optimierten 15m2-SNS aus der Designschmiede Stadelmann
Prolog
Die Klasse der 15m²-SNS (Serie Nationale Suisse) genießt in der Schweiz im Segment Racing eine gewisse Prominenz, befeuert unter anderen von Sebastién Schmidt, Konstrukteur des Katamaran Alinghi IV – The black, mit dem Ernesto Bertarelli, späterer America’s Cup Sieger auf der Einrumpf-Alinghi (2003, 2007), drei Mal den prominenten Bol d’Or auf dem Genfer See geholt hat (1997, 2000, 2001). Dieser hat auch die kleine 4mR-Yacht unter sein Design genommen. Die umgangsschweizerisch auch als «Vierer» bezeichnete Yacht sollte noch schnittiger und schneller werden, als sie es schon seit ihrer Geburtsstunde war.
«Zukunft und Entwicklung» haben zusammen mit dem Potential dieser Klasse Monsieur Schmidt wohl gereizt, ähnlich wie auch seinen Kollegen Ruedi Stadelmann in Kastanienbaum am Vierwaldstättersee. Selbst Strömungstests im Schlepptank werden
zur hydrodynamischen Verfeinerung der Rumpfform dieses Sportbootes heute genutzt – typisch Schweizer Perfektionsdrang bis hin zur Teilnahme am America’s Cup.
Vor diesem Hintergrund sind die Eidgenossen mit Stolz eine beachtete «Wassernation». Dabei schafft die große Vielfalt der segelbaren Schweizer Seen unterschiedlicher Ausdehnungen und Windverhältnisse für den anspruchsvollen Segelsportler ein ideales Betätigungsfeld. Dank der wassersportlich anspruchsvollen Voraussetzungen ist es kein Wunder, dass der «Vierer» als klassisches Wassersportgerät entwickelt wurde – mit geringer Verdrängung (ca. 0,8 – 1,3 t) zugunsten der vorherrschenden Leichtwindverhältnisse auf den Schweizer Seen.
Ein ganz frühes Beispiel ist die als SUI 3 registrierte «Beauvent», gebaut 1939 nach einem Riss vom Klassen-Gründer Amiguet. Dieses Schiff zeigt noch heute die wunderbar schlank auslaufenden Überhänge des Gründerzeitdesign. Wunderbar anschauliche Beispiele zur Qualität eines «Vierer»- Rumpfkörpers zeigen Bilderserien von Werftbauten nach «formverleimter Bauart»von SUI-167 oder SUI-170
Wie klassisch ist dieses «Sportgerät»?
Wenn prononciert ein «Sportgerät» herausgestellt wird, an dessen Riss durch progressive Yachtdesigner seit Geburtsstunde intensiv weiterentwickelt wurde, stellt sich bald die Frage, was das noch mit einem «Klassiker» zu tun hat? Die Begründung liegt im Material, auf dem aufgebaut und bis heute sportlich veredelt wurde.
Die Anfänge des «Vierer» reichen in die 1930er Jahre am Genfersee. In dieser Zeit entwickelte der Bootsbauingenieur Alfred Amiguet auf Bestellung einer Dame ein 6 Meter kurzes Kielboot mit 12 m² Segelfläche. Es war leichter als die bis dahin in der Schweiz gesegelten großen Meter-Yachten ausländischer Entwicklungen. Auf dieses Boot wurde die «Societe Nautique Geneve» (SNG), seinerzeit treibende Kraft im Schweizer Wassersport, aufmerksam. Sie lud Amiguet zur Präsentation seines Bootes an den Genfersee ein, um es unter dem Aspekt der Schwachwindverhältnisse zu testen. Amiguet kam 1933 an den See, sah und siegte vor den Herrschaften der SNG sensationell. Denn das flotte Boot stellte bei Test-Törns frappierend alle 15er und auch 20er Rennjollen in den Schatten. Das war so überzeugend, dass Amiguet beschloss, gemeinsam mit seinen renommierten Genfer Kollegen Godinet und Camatte, auf Basis dieses Damen-Bootes eine neue Konstruktionsklasse zu entwickeln. Sie sollte, angelehnt an die 5m-Jl., über eine Vermessungsformel geregelt werden. Jl. steht für «Jauge International» (frz.).
In Verbindung mit z.B. 5m-JI bedeutet dies, dass es sich um eine Yacht der Internationalen Meterformel handelt. Um ein Boot der gewünschten Größe zu erhalten (das Muster-Schiffchen war ja nur 6 m lang), wurde das 5m-Jl.-Rating entsprechend auf 4m-Jl. reduziert. Den drei Herren gelang es in kürzester Zeit, das Ergebnis noch im gleichen
Jahr mit Brief an die SNG zu präsentieren. Damit gilt das Jahr 1933 als Geburtsjahr der «15m²-SNS». Die Klasse bot ein Schiff mit folgenden Daten:
- Länge über Alles: max. 7 Meter
- Tiefgang: 1 Meter
- Vermessene Segelfläche: max. 15 m²
- Takelungshöhe über Deck: 8 Meter
In den weiteren 1930er Jahren begann ein intensiver Bootsbau dieser Klasse mit Schwerpunkt in Genf.
In weiterer Entwicklung wurde die Yacht 1938 vom autodidaktischen Yachtdesigner Henri Copponex als 4m R-Yacht empfohlen. Der Name Copponex ist auch verbunden mit einer etwas größeren Yacht, der heute weithin bekannteren «Lacustre»:
- Länge 9,5 m,
- Tiefgang 1,2 m,
- Segelfläche 25 m²
und Trägerin einer Stummel-Kajüte. Bei gleicher Breite ist der «Vierer» deutlich kürzer und besitzt weniger Tiefgang – elegant sind sie beide.
Der klassisch segelsportliche Hintergrund ist also das eine Klassiker-Charakteristikum des «Vierer». Ein weiterer Beleg dieser Art ist der in den Klassenvorschriften geregelte klassische Bootsbau mit Kiel, Spant und Karweelbeplankung. In weiterer Entwicklung der Bootsbautechniken folgten 1979 allerdings Bauvorschriften, die auch Schalenbauweisen zuließen. Da für die Schalenbauweise nicht zwingend Holz als Baumaterial festgelegt wurde, waren auch Kunststoffschalen möglich. Allerdings erfolgten Neubestellungen – auch heute noch – vornehmlich in Holz, selbst nach Präsentation des ersten GFK Rumpfes 1999.
Der genannte erste GFK-Rumpf wurde nach Linien des bereits eingangs
erwähnten Sebastien Schmidt gebaut. Wenn auch nicht traditionell aus Holz gebaut, besticht dieses GFK-Schiff Mojo (SUI 160) durch die Ästhetik seiner Erscheinung. Im Vergleich von SUI 3 zu SUI 160 weist «Mojo» einen fast steilen Bugsteven sowie einen kürzeren Hecküberhang auf, Beweis für die Möglichkeiten bei der Entwicklung dieses Yacht-Typs. Die Antwort auf die Klassikerfrage kann und muss deshalb lauten: Nach tradierter Meterklassenformel entwickelt und tradiertem Bootsbau bis in die Jetztzeit mehrheitlich entsprechend gebaut, ist der «Vierer» ein reiner Klassiker!
Der erste vollständige GFK Rumpf – SUI 160 – im Yachtdesign des Bj. 1999 von Sebschmidt
Was macht diesen «Klassiker» so spannend?
Wo genau liegen die Gründe, die zu den signifikanten Unterschieden zwischen SUI 3 und SUI 160 geführt haben und diesen Klassiker deshalb so spannend erscheinen lassen? Es gibt etliche: So hat der «Vierer», anders als manche andere mR-Yachtklasse, in seiner Entwicklung eine Reihe von «Häutungen» erfahren. Das spiegelt sich in den drei sog. Kategorien, in denen er gesegelt wird, wieder:
Kategorie Classic, gebaut ab 1933 mit Holzmast, innen liegenden Fallen, Langkiel und direkt am Kiel angehängten Ruder wie in Abb. 5 erkennbar. Kategorie Evolution, gebaut ab Anfang der 1960-er Jahre mit Metallmast, Rollfock und Langkiel, aber mit freiem Ruder wie in Abb. 6 gezeigt. Kategorie Modern, gebaut ab 1990 mit Metallmast, außen liegenden Fallen, modifiziertem Kurzkiel und freiem Ruder wie aus Abb. 7 erkennbar.
Antrieb dieser Typenentwicklung ein und derselben Klasse ist die Klassenvereinigung, weil mit der dynamischen Entwicklung der Klassenvorschriften die alten Risse nicht deklassiert wurden. Stets hat man, jeweils nach Anhörung von Fachleuten und progressiven Designern, die Vorschriften sinnvoll weiterentwickelt.
Dieser Prozess hat mit dem erfolgreichen Segler Copponex bereits sehr früh eingesetzt. Er zeichnete als Konstrukteur 80 Risse, also für fast die Hälfte der gebauten Yachten, verantwortlich. Er nutzte die Chance, an der Verbesserung der Segeleigenschaften zu feilen und sich bei der Klassenvereinigung Gehör zu verschaffen. Später haben es ihm andere begabte Designer gleichgetan.
An zwei Beispielen sollen die Hintergründe der yachtsportlichen und anderen «Häutungen» dargestellt werden. Dabei soll es bei den bereits vorgestellten Rumpf-Varianten der Kategorie Classic, eines Copponex-Riss› (Abb. 8), sowie eines der Kategorie Modern (Abb. 9), entworfen von Schmidt, bleiben.
Zunächst fragt man sich irritiert, ob man es hier überhaupt mit ein und derselben Klasse zu tun hat. Da dem aber so ist, hilft nur der Blick auf 1. die Vermessungsformel und 2. die Vorschriften der Klasse.
Die Vermessungsformel
Bei der Vermessungsformel handelt es sich um Maßzahlenarithmetik, die nicht jedermanns Sache ist. Ihre Darstellung einschließlich Definitionen der zugehörigen Kennwerte erfordert ein wenig Durchhaltevermögen, lüftet aber die Kulisse. Hier die 4m R-Vermessungsformel (Stand 1/ 1986):
L = Vermessungslänge L›, gemessen 6 cm über Schwimmwasserlinie, plus dem anderthalbfachen Unterschied zwischen dem Kettenumfang am vordersten Punkt dieser Länge bis zu den Punkten, die um 5% des Klassenwertes über L› liegen, und dem doppelten senkrechten Abstand dieser Punkte über L›, – plus 1/3 des Unterschiedes zwischen dem Kettenumfang am achterlichen Punkt der Länge L› und der an der selben Stelle gemessenen doppelten senkrechten Bordwandhöhe. – Für die Berechnung des Rennwertes, wie oben beschrieben, ist für die Differenz am vordersten Punkt von L› nicht weniger als 30% der doppelten Höhe in die Formel einzusetzen (Zitatende).
S = Fläche des Großsegeldreiecks zu 100% (1979 neu = 70%) und des Vorsegeldreiecks zu 70% (1979 neu = 100%), zusammen = 15m².
B = Die Formelbreite wird errechnet als ein Viertel der Summe der über Deck
gemessenen Breite und dem dreifachen Wert der Breite an der Schwimmwasserlinie. Die beiden Maße werden bei 55% der Länge der Schwimmwasserlinie (L›) von vorne gemessen.
F = Mittlere Freibordhöhe als Drittel aus den gemessenen Breiten bei L 55% (wie vor) sowie – mit genauer definierten Messstellen – an den vorderen und hinteren Ende der Wasserlinie L.
Aus der Formel ist immerhin erkennbar, dass bei der Rechnung stets ein und dasselbe Ergebnis herauskommen muss, nämlich =/> 4,02 m. Das gilt für jedwede denkbaren Veränderungen von Kennwerten, die dem Konstrukteur Chancen bei der Optimierung von Segeleigenschaften einer Yacht bieten. Über diesen Prozess lässt sich das Spiel mit den Zahlen L,B,F, die die Form des Rumpfes definieren, spielen. Dabei muss die Segelfläche S mit 15m² immer gleich bleiben.
Im Gegensatz zur schlanken Kategorie Classic, zeigt die Decksform der Kategorie Modern deutlich ausladende «Hüften» (vergl. auch Abb. 4). Die derart veränderte Deckform der Modern hat Folgen für den übrigen Rumpf. Wird das Deck breiter, muss zur Einhaltung der R-Formel zwangsläufig die Schwimmwasserbreite des Rumpfes abnehmen oder umgekehrt.
Kategorie Evolution – Kiel mit freigestelltem Ruder: – SUI 138 – Bj. 1966, ein später Copponex mit Andeutung eines «Hakennasenbug»
Kategorie Modern – Modifizierter Kiel mit freigestelltem Ruder: – SUI 150 – Bj. 1983 von Britton Chance Jr , USA, mit deutlichem «Hakennasenbug»
Riss der Kategorie Classic aus den bauaktiven Jahren (um 1955) der Copponex-Zeit
Riss der Kategorie Modern aus dem Plotter von Alinghi-Designer Sebschmidt
Die Klassenvorschriften
Bei aller Genialität der Vermessungsformel stellt sich die Frage, warum man das Deck überhaupt verbreitern sollte. Hierzu ein Blick in die Klassenvorschriften des «Vierer»: Die untersagen bei Regatten die Nutzung von Ausreithilfen. Demnach muss bei stärkerem Winddruck versucht werden, den auf Luvseite sonst mit Ausreithilfen vergrößerten Körpergewicht-Hebelarm anderweitig zu kompensieren – dafür ist das verbreiterte Deck hochwillkommen. Mit solchen Optimierungen der Segeleigenschaften wird das Letzte herausgekitzelt – zumal es die Formel hergibt.
Nach Einblick in die Hintergründe variabler Rumpfauslegungen ein und derselben Klasse jetzt noch einen Blick auf das Unterwasserschiff, denn auch die vorgestellten drei Kielvarianten gehören zur «Kulisse 2» der Klassenvorschriften. Sie gehen zurück auf die bereits erwähnten Veränderungen der Kategorien Classic über Evolution zur Modern, Änderungen, die nicht zuletzt auch der Steigerung von Geschwindigkeit durch Reduzierung der wasserbenetzten Rumpfflächen dienten. Hier hat sich die Klassenvereinigung nach Beratungen durch Fachleute stets offen gezeigt für sinnvolle, dem zweckdienliche Innovationen.
Bei Umsetzung in die Vorschriften wurden selbstverständlich für Kiel und Ruder jeweils neue Festlegungen getroffen. Der Kiel durfte zwar verkürzt werden, das separate Steuerruder, auch als Balanceruder gesehen, durfte mit seiner Hinterkante aber nicht das Ende der Vermessungslänge «L» überragen. Soweit zum Unterwasserteil des Lateralplans.
Die Bauvorschriften
Und noch eine dritte Weiterentwicklung des «Vierer» kommt hinzu. Sie betrifft die «Allgemeinen Bauvorschriften» mit der Festlegung größerer konstruktiver Gestaltungsfreiheit. Darin heißt es: «Yachten der 15m² SNSKlasse dürfen mit allen Baumaterialien und Baumethoden hergestellt werden. Die Freiheit in der Auswahl darf nicht zur Gewichtsersparnis am Bootskörper, sondern nur zur Verbilligung oder zur Verbesserung führen. Steifheit, Festigkeit und Haltbarkeit müssen denjenigen der klassischen Bauart mindestens ebenbürtig sein. Eine theoretische oder experimentelle Rechtfertigung kann verlangt werden.»
Mit dieser Festlegung erfolgte eine weitere «Häutung», nämlich von der tradierten Baumethode hin zur modernen aber immer noch klassischen Schalenbauweise, sogar verbunden mit einem Zugeständnis zu experimentellen bootsbaulichen Versuchen. Da ist eindeutig ein Bekenntnis zu Innovationen, und das ist für einen Klassiker bemerkenswert progressiv!
Resümee der «spannenden Bootsklasse»
Nach diesem Einblick sollte nachvollziehbar sein, warum der «Vierer» mit seiner 4mR-Formel und seinen spezifischen Vorschriften als «spannende Bootsklasse» bezeichnet werden kann. Er ist ein Klassiker mit ungewöhnlich hohem entwicklungsdynamischen Potenzial. Die Schweizerische Klassenvereinigung der 15m² SNS sagt dazu: «…die Konstruktionsklasse kann ganz nach Ihren individuellen Wünschen konstruiert und gebaut werden, Bitte beachten Sie die entsprechenden Bau- und Vermessungsbestimmungen sowie die Statuten der Klassenvereinigung…»!
10 – Achterspiegel abgeflacht breit – SUI 158 – Bj. 1998 aus der Designschmiede Bollinger
11 – Achterspiegel abgeflacht rund – zeigt seinen Verfolgern die Zunge
Nicht nur spannend, sondern auch schön!
Wer einen «Vierer» unter Wind sieht, ist gebannt von der schnittigen Eleganz des Schiffes. Weil die Crew, wenn sie nicht gerade auf Kante hängt, nur ab Achselhöhle aufwärts sichtbar ist und deshalb nur rudimentär in Erscheinung tritt, wirkt das Boot als «Schiff pur»! Dabei ist egal, unter welcher Kategorie der «Vierer» gerade vorbeirauscht, als Classic oder als Evolution, oder Modern. Die Unterscheidungsmerkmale im Unterwasserschiff mit Langkiel/Ruder oder Trennung von Kiel und Ruder, erkennt man an der Lage der Ruderpinne. Bei Classic in der Regel unter Deck versteckt, bei Evolution und Modern auf dem Achterdeck. Außerdem stellt die Ausprägung der Heckpartie ein signifikantes Unterscheidungsmerkmal dar. Der Classic-Vierer vom bis heute bedeutendsten Schweizer Yachtkonstrukteur Copponex hat einen senkrechten, leicht unter- oder überschnittenen achterlichen Spiegel (vgl. Abb. 5 und 6). Kommt jedoch ein «Vierer» daher mit abgerundetem oder abgeknicktem Hinterteil, so als hätte es einen Klaps hinten drauf gegeben, hat man mit großer Sicherheit die Kategorien Evolution oder Modern vor Augen. Das solchermaßen geneigte Spiegelheck ist seit Mitte der 60er Jahre zu einem Markenzeichen des «Vierer» geworden, von rund über breit bis spitz. Das Rigg besteht es aus Hochsegel und Fock, bei 7/8 Takelung mit Anschlagpunkt am Mast in 6,8 m Höhe über Deck (bis 1986 nach 3/4 Takelung bei Anschlaghöhe auf 6,0 m). Die auf max. 15m² Klassenmaß berechnete Segelfläche (für am-Wind-Kurs-Positionierung vermessen), setzt sich zusammen aus den Realmaßen:
- Groß: 13,50 m²
- Fock: 6,70 m²
- Genua, groß: ca.13,40 m²
- Genua, klein: ca.11,50 m²
- Spinnaker, mittel: 32,00 m²
- Spinnaker, max.: 44,00 m²
Diese Besegelungsvarianten sorgen immer für ein tolles Bild auf dem Wasser, besonders bei Massenauftritten im Regattafeld (Abb. 14). Die vorgeschriebene Takelung ermöglicht vielfältigen Mast-Trimm zur Steigerung der Schnelligkeit dieser Renn-Yacht.
14 – Segeltuchvarianten im hochalpin umrahmten Regattafeld
12 – Achterspiegel abgeflacht spitz – SUI 157 – Bj. 1998 und ein echter Stadelmann
13 – Achterspiegel abgeflacht und noch spitzer – SUI 167 – Bj. 2006 ein echter Sebschmidt, der es auch in Holzschalenbauweise kann
Nicht nur schön, sondern auch besonders schnell!
Beispiel Goeland II SUI 94 (Abb. 15): Unter Segeln zeigen sich die Leichtwetterschiffe außerordentlich lebendig, wenn auch z.B. die mangelnde Bewegungsfreiheit für die unter Deck eingebaute Ruderpinne gewöhnungsbedürftig ist. Das gilt allerdings nur für die Sorte «Classic«, bei den neueren Konstruktionen ist die Pinne konventionell über Deck.
Die auf den jeweiligen Seen vorwiegend auftretenden Windverhältnisse, Anströmrichtungen, Bahnlängen und voraussichtlichen auf diesen verbrachten Zeitfenster werden in das Berechnungskalkül der dafür erforderlichen günstigsten Segeleigenschaften des Schiffes einbezogen. – Dem Schiff wird sozusagen seenspezifisch ein «Maßanzug» zu seiner Regattabestimmung verpasst!
Ebenfalls gewöhnungsbedürftig war das Setzen der Segel über senkrechte Winschen mit Steckkurbeln unter Deck am Mastfuß (Abb. 17). Dazu gehört eine ziemliche Portion Übung sowie ausreichend «Muckis», um die im Holzmast geführten Drahtfallen schnell und zügig zu bedienen. Hektik bringt dabei nur Ungemach mit verklemmten Winschen.
Sportliche Gene muss man bei dem Schiff schon mitbringen! Der «Vierer» kann auch heute noch die Wahl der Stunde sein, auch wenn man als Skipper in ihm ähnlich tief wie in einer Badewanne sitzt und die Notwendigkeit einer steten Begleitung durch einen geübten Vorschoter wohl typisch ist. Wer Einhandseglerei bevorzugt, sollte von der Kategorie Classic eher Abstand nehmen.
Nicht nur schnell, sondern auch stabil!
Ein Blick in das hölzerne Innenleben des «Vierer» vermittelt Solidität und gediegenen Bootsbau (Abb. 18). Die genannte Tiefe unter den Seitendecks bietet ausreichend Platz für Schapp’s. Im Rumpf geht es total stabil zu mit den der «Steifheit, Festigkeit und Haltbarkeit» dienenden Baubestimmungen bis hin zur Mindestdimensionierung von Querschnitten der zu verbauenden Hölzer. Ebenso detailliert sind die Vorschriften für die 1979 eingeführten Metallmasten mit Schweizer Gründlichkeit wie bei der Kielausbildung verfasst.
Nicht nur von alledem etwas, sondern auch gut organisiert!
Die Gründlichkeit der genannten Bestimmungen hat einen Hintergrund: Die Klassenvereinigung wurde 1964 gegründet und wacht über das Geschehen in der Klasse. Dank einer starken Bindung an Schweizer Gewässer pflegen die Schweizer «Vierer»-Segler eine richtig verschworene Genossenschaft. Die Klassenvereinigung wird gut geführt und ist stets «auf Zack». Das erkannt man schon am Internetauftritt, der mit einer Fülle von gut sortierten Informationen über die Klasse und einer Vielzahl treffender Querverweise (Links) aufwartet.
Dazu gehört zur Organisation das zentrale Klassenthema, nämlich die Regattaveranstaltungen (s. unten). Man findet in dem von der Klassenvereinigung ausgezeichnet geführten und präsentierten Archiv auch die gesamte Armada der «Vierer» nach laufender Segelnummer, Schiffsname und Heimathafen, sowie zu 46 Booten die Portraits mit Angaben zu Baujahr, Riss, Werft und Eigner einschließlich
Bildmaterial. Daraus ist ablesbar, dass der «Vierer» vor allem in Schweizer Gewässern, für die er ja auch entwickelt wurde, beheimatet ist.
Nur neun Auslandseigner betreiben ihr «Vierer»- Vergnügen in Österreich (1) am Wörthersee, in Deutschland (4), d.h. am Bodensee (2), am Edersee (1) und in Frankfurt (1), in Ungarn (1) am Plattensee, in Holland (1) ohne Standortnennung, in Italien (1) um Sardinien herum sowie in Bamboo (1).
Das Regattawesen, eine Urbestimmung des «Vierer»!
Den «Vierer» zu würdigen, ohne einen genaueren Blick auf eine seiner bedeutendsten Urbestimmung zu werfen, wäre mehr als nur eine lässliche Sünde. Das für 3-Mann Regattabesatzung konstruierte Schiff wurde nicht ohne Grund erst nach knapp 70 Jahren seiner Existenz im vergangenen Jahrzehnt auch als Einhandsegler weiterentwickelt. Voraussetzung für diese Art des Segelns war eine Entwicklung, die dass Hantieren der Fallen am Mastfuß ablöste durch Verlegung in die Nähe der Ruderpinne. Insbesondere die junge Elite der Schweizer Yachtdesigner ist da konstruktiv sehr rührig. Unbeschadet dessen sind bei den Regatten dennoch immer mindestens zwei Mann an Bord
gefordert.
In der Schweiz werden folgende Regatten ausgesegelt und zwar um den «Coupe Suisse» (SC) als alleinige «Vierer»-Veranstaltung (seit 1997), um die
«Klassenmeisterschaft Championnat de Serie» (KM) und die «Schweizermeisterschaft Championnat de Suisse» (SM). Diese Regatten wechseln oft zwischen Genfer See (SC / KM / SM), Lac de Neuchatel (SC / KM / SM), Vierwaldstättersee (SC / KM / SM), Hallwilersee, Zürichsee (SC). Darüber hinaus werden jährlich viele 15er -Regatten von Yachtclubs auf verschiedenen Seen ausgerichtet, wie z. B. die Vierwaldstättersee-Meisterschaft, die «Segelwoche Luzern» und die «Uristier-Challenge» Brunnen, «Yachten-Weekend» in Spiez auf dem Thunersee , der «Zürcher Frühlingspreis», natürlich auf dem Zürichsee, den «Coupe de la Harpe» in Rolle auf dem Genfersee. Entsprechend der drei
«Vierer»-Kategorien erfolgen dabei neuerdings auch drei getrennte Bewertungen mit drei Pokalen.
Bevor bei Regatten diese drei Pokale ersegelt wurden, war die Beteiligung der Classic-Boote eher zurückhaltend. Die Ergebnisse «quer durch die Kategorien» teilten sich in der Regel 4-5 Boote der Kategorie Modern unter sich auf. Gut gesegelte Boote der Kategorie Classic mischten dennoch im guten Mittelfeld mit und verwiesen so manche Evolution und Modern auf die Plätze. Was die Schnelligkeit anbelangt, brauchen sich die Classic-Klassiker im Aufkommen von aktuell 136 noch aktiv gesegelten der bisher insgesamt 170 gebauten und registrierten «Vierer» nicht zu verstecken.
19 – Bug an Bug Regattagetümmel der jüngsten «Vierer»- Generation – ab Bj. 1980 rechts im Vordergrund
Epilog
Im Gegensatz zur größeren «Lacustre» auf nur drei größere Seen ist der «Vierer» darüber hinaus auch auf etlichen kleineren Seen vertreten, ein Zeichen für das günstige Maß auch auf weniger ausgedehnten Seen sowie für seine gute Transportierbarkeit. Diese bedient nicht zuletzt den Zweck des Regattierens von See zu See! – Somit ist der «Vierer» nicht nur entwicklungsdynamisch sondern auch geographisch als ein «virulentes» Schiff zu bezeichnen. Demjenigen, der einen «Vierer» besitzt, ihn segelt oder als das Schiff seiner
Träume zu besitzen und zu segeln wünscht, sollte bewusst sein, dass er sich mit einer segelsportlich und bootsbaulich recht anspruchsvollen und dichten Materie befasst. Und noch etwas: Ohne das vielfältig Netzwerk der Klassenvereinigung und deren Hilfsbereitschaft, bei Fragen des Verfassers Abhilfe zu schaffen, hätte dieser Abriss über die älteste Schweizer Yachtklasse so nicht geschrieben werden können. Deshalb kann nur empfohlen werden, sich bei weiterem Interesse am «Vierer» an diese Vereinigung zu wenden. Da findet man vernetzte volle Kompetenz auch zur Performance der Klasse.
15 – Vom Verfasser probeweise mitgesegelt -«Geoland II» SUI 94 – Bj. 1954 bereits mit steilerem Bug als – SUI 3 – Bj. 1939 (Abb. 3)
16 – Classic-Pinne unter Deck. Vom Kiel bestimmter 45° schräger Einbau (vergl. Abb. 5)
17 – Vertikales Fallenbrett unter Holzmast. Kabel-Fallen laufen im Mast
18 – Gediegenes Classic -Innenleben vor der Ingebrauchnahme
Autor: Urban J.M. Leitl
Quelle: Freundeskreis Klassische Yachten (Klassiker No. 1 / 2014)
Artikel: Die älteste Schweizer Yachtklasse – 15m²-SNS-4mR